Blick auf den Eingangsbereich des A-Baus im Klinikum am Weissenhof. Ein Informationspunkt steht vor einem Vorbau aus Holz.

Aktuelle Stellungnahme des Klinikum am Weissenhof

Weinsberg, 29.09.2021: Stellungnahme des Klinikums am Weissenhof zum Ausbruch von vier Patienten aus der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Informationen mit Relevanz für die Presseberichterstattung

1. Aufgabe der Klinik, in der die Patienten untergebracht waren

Die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie ist eine von sieben Fachkliniken des Klinikums am Weissenhof. Als Einrichtung des Maßregelvollzugs erfüllt die Klinik die gesetzliche Aufgabe, Patient*innen, die im Zusammenhang mit einer psychiatrischen Erkrankung oder Suchterkrankung straffällig geworden sind, zu behandeln und zu sichern. Die gerichtlichen Unterbringungen erfolgen in den Landgerichtsbezirken Heilbronn, Mosbach und Ellwangen. Für die Therapie und Sicherung von derzeit 117 Patient*innen stehen sieben Stationen, untergliedert in einen offenen und geschlossenen Bereich am Standort Weissenhof zur Verfügung. Ergänzend ermöglicht eine externe Wohngruppe vorbereitende Reintegrationsvorkehrungen. Eine Forensische Fachambulanz bietet nachsorgende Betreuung, um entlassene Patient*innen bei der erfolgreichen Rückkehr in ein stabiles, straffreies Leben zu unterstützen. Die Maßnahmen zur „Sicherung und Besserung“ richten sich sowohl an psychisch kranke Patient*innen, die nach § 63 StGB untergebracht sind, als auch an suchtkranke Patient*innen, die nach § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen sind. Der Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB ist nicht notwendigerweise an verminderte Schuldfähigkeit geknüpft und in der Regel auf zwei Jahre begrenzt. Dabei prüft das Gericht in sechsmonatigem Rhythmus, ob die Fortdauer der Maßnahme nötig ist.

2. Patienten, die an dem Ausbruch beteiligt waren
Für die vier Personen, die am Mittwochabend aus dem gesicherten Bereich der Klinik ausgebrochen sind, ist der Maßregelvollzug in einer Entziehungseinrichtung aufgrund unterschiedlicher im Zusammenhang mit einer Suchterkrankung begangener Delikte nach § 64 StGB richterlich angeordnet worden. Für einen der Männer war die Unterbringung in der Klinik als vorläufige Maßnahme angeordnet worden, da das gerichtliche Verfahren wegen des Verdachts des versuchten Totschlags noch nicht abgeschlossen war. Zu den Straftaten der weiteren Männer zählen Diebstahlsdelikte, Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, Körperverletzung, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Vollrausch. Der Patient, der wegen Gewaltdelikten verurteilt wurde, wurde inzwischen gefasst und befindet sich jetzt in einer anderen Einrichtung des Maßregelvollzuges. Unwahr ist die trotz unseres Widerspruchs veröffentlichte Mutmaßung, dass einer der Männer wegen sexuellem Missbrauch an Kindern verurteilt worden sei. Hervorzuheben ist, dass es grundsätzlich der Einsichtsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der Patienten bedarf, um die im Rahmen des Maßregelvollzugs nach § 64 StGB vorgesehene Therapie erfolgreich durchführen zu können. Trotz aller Bemühungen und Motivationsarbeit des Klinikpersonals können diese Voraussetzungen für die angestrebte „Besserung“ nicht in jedem Fall geschaffen werden. Im Hinblick auf drei der vier entwichenen Personen wurde die Perspektiven von den Klinikverantwortlichen dahingehend bewertet, dass eine Beendigung der Therapie wegen Aussichtslosigkeit angeregt wurde.

3. Umstände und Ablauf des Ausbruchs
Zu dem Ausbruch kam es gegen 22 Uhr auf einer Station im gesicherten Bereich der Klinik. Dabei nutzten die Geflüchteten offensichtlich einen unbeobachteten Moment, um gemeinsam mit Hilfe eines Tisches ein Fassadenelement aus Hochsicherheitsglas aus seiner Verankerung zu drücken. Die Polizei traf innerhalb von zehn Minuten vor Ort ein und leitete sofort in enger Abstimmung mit Vertretern der Geschäftsleitung des Klinikums erste Sicherheitsvorkehrungen auf dem Gelände ein. In diesem Zusammenhang ist auch die ca. 22.30 Uhr durchgeführte interne Meldung zu nennen, mit der alle Stationen am Standort Weissenhof dazu aufgefordert wurden, vorsichtshalber die Türen zu schließen. Die polizeiliche Einsatzleitung entschied sich zunächst für eine nicht öffentliche Fahndung nach den Flüchtenden. Um die polizeilichen Maßnahmen, Fahndung und Ermittlungen nicht zu behindern, hat das Klinikum zu diesem Zeitpunkt nach sorgfältiger Abwägung der Risiken auf eine umfassende Information der Belegschaft, der Anwohner auf dem Klinikumsgelände und der Medien verzichtet und entsprechende Aktivitäten erst am Morgen des Donnerstags, nachdem die Polizei ihre öffentliche Fahndung eingeleitet hatte, aufgenommen. Die weiteren Einzelheiten des Ausbruchs sind derzeit Gegenstand polizeilicher Ermittlungen.

4. Sicherheitsvorkehrungen in der Klinik
Grundsätzlich ist klarzustellen, dass die Sicherheitsvorkehrungen im Umfeld eines Krankenhauses nicht mit den Sicherheitsmechanismen einer Justizvollzugsanstalt verglichen werden können. Dennoch erfüllt die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie ihren mit der Therapie verbundenen Auftrag zur Sicherung der Patient*innen im Maßregelvollzug auf umfassende und verantwortungsvolle Weise. Hierbei ergänzen sich spezifische Sicherungsmaßnahmen durch individuell ausgerichtete und professionell durchgeführte Beziehungsarbeit sowie die Sicherung durch geeignete bauliche und technische Mittel. Dass dieses Sicherheitskonzept in aller Regel funktioniert, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass aus dem gesicherten Bereich der Klinik trotz hoher Belegung seit Bestehen des Gebäudes 2006 kein Ausbruch zu verzeichnen war. Zu hohen Sicherheitsstandards trägt auch die Arbeit eines Sicherheitsbeauftragten bei, der im Klinikum am Weissenhof genau wie an den 4 weiteren Maßregelvollzugs-Standorten in Baden-Württemberg seit 20 Jahren im Einsatz ist. Mit dem Ziel, zukünftige Ausbrüche dieser Art zu verhindern, haben die Klinikverantwortlichen gemeinsam mit der Geschäftsleitung des Klinikums unter anderem zügig die Möglichkeiten zur Erweiterung der Sicherheitsmaßnahmen eruiert und bereits geeignete Maßnahmen zur baulichen Nachrüstung veranlasst. Die in der Berichterstattung aufgeführte Aussage, dass „es zu regelmäßigen Ausbrüchen komme“, ist unwahr und sollte aus Sicht des Klinikums dringend richtiggestellt werden.

5. Überbelegung des Maßregelvollzugs
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass sich Politik und Wissenschaft einig sind, dass der Maßregelvollzug seinem gesellschaftlichen Auftrag insgesamt gerecht wird. Jedoch ist auch die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum am Weissenhof von dem bundesweit zunehmenden Belegungsdruck in beiden Segmenten des Maßregelvollzugs betroffen. Die Verantwortlichen befürworten daher Überlegungen, die eine Lösung der mitunter angespannten räumlichen Situation und personellen Belastung bewirken könnten. Im Schulterschluss mit den weiteren Maßregelvollzugs-/Entziehungseinrichtungen in den baden-württembergischen Zentren für Psychiatrie pflegt das Klinikum am Weissenhof mit dem aufsichtführenden Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes einen konstruktiven Austausch zum Umgang mit den steigenden Patientenzahlen. Die Kommentierung des heute zu diesem Thema tagenden Ausschusses im Landtag obliegt den politischen Entscheidungsträgern.