Blick auf den Eingangsbereich des A-Baus im Klinikum am Weissenhof. Ein Informationspunkt steht vor einem Vorbau aus Holz.

Expertenrat: Corona und die Auswirkungen auf die Psyche

Privat-Dozent med. Daniel Schüpbach, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie West erklärt, was Menschen in Zeiten der sozialen Isolation für Ihre Psyche tun können.

Wie wirkt sich eine soziale Isolation auf die Psyche der Menschen aus? Man kann davon ausgehen, dass die meisten Menschen soziale Isolation/soziale Distanzierung im Zusammenhang mit der Corona-Krise ohne nennenswerte Folgen für die Psyche überstehen können. In diesem Zusammenhang sprechen wir von sog. Resilienz: Im psychologischen Sinn als die Fähigkeit definiert, Krisen zu überwinden, widerstandsfähig zu sein. Soziale Isolation kann auf der anderen Seite zu vermehrtem Stress führen, weil Quarantäne-Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nur bei denjenigen Personen durchgeführt werden, welche positiv auf das Virus getestet wurden oder welche im direkten Kontakt dazu standen. Somit sind nicht alle Bürgerinnen und Bürger betroffen. Es besteht die Gefahr der Vereinsamung, der Hoffnungslosigkeit, ein Überhandnehmen von Ängsten und Depressionen. Zudem können sich Frustration, Ärger oder gar Wut manifestieren, und im schlimmsten Fall zu häuslicher Gewalt führen, z. B. wenn übermäßiger Alkoholkonsum im Spiel ist. Nach wie vielen Tagen/Wochen/Monaten in Quarantäne sind diese Auswirkungen spürbar? Es ist naheliegend, dass wir von keiner bestimmten Zeit ausgehen, in welcher sich psychische Symptome durch Quarantäne manifestieren können. Es ist ebenso einleuchtend, dass Menschen häufiger darunter leiden, je länger solche Maßnahmen bestehen. An dieser Stelle ist es vielleicht auch angebracht, zwischen Quarantäne-Maßnahmen und den allgemeinen Hygiene-Regeln zu unterscheiden, welche einen Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern von Person zu Person vorschreiben. Insbesondere in einer Quarantäne können sich Risikofaktoren für eine Krise summieren: Ängste vor Erkrankung, Stigmatisierung/Diskriminierung, Furcht vor dauernder sozialer Isolation, existentiellen Ängste: Arbeits-/Wohnungsverlust, finanzielle Engpässe; und das Gefühl der Machtlosigkeit und des Ausgeliefert-Seins. Untaugliche Bewältigungsstrategien wie vermehrter Alkoholkonsum können sich manifestieren und zu gravierenden Folgen für den einzelnen Menschen und/oder seiner Umgebung führen: Gewalt gegen körperlich Schwächere wie Frauen und Kinder. Ein besonderes Risiko für Krisen weisen Menschen auf, welche sich nicht oder nur unzureichend äußern können. Bas sind insbesondere Personen, welche keine Familien, Freunde, Verbände etc. haben, die ihre Bedürfnisse artikulieren: sozial Geschwächte und Benachteiligte mit Existenzsorgen, auch ohne Corona, Kinder und Jugendliche aus solchen Familien, ältere/gebrechliche Menschen, solche mit psychischen Leiden/Suchtleiden etc. Hilfen in Zeiten von Corona In Baden-Württemberg existiert eine Telefon-Hotline für Menschen mit psychischen Belastungen/in schwierigen Situationen: Tel:0800 377 377 6, Experten stehen von 8 bis 20 Uhr zur Verfügung. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist unter der Rufnummer 08000 116 016 rund um die Uhr und in 17 Sprachen erreichbar. Präventiv sind folgende Maßnahmen zum Erhalt des Wohlbefindens unter sozialer Isolation hilfreich:

  • Körperliche Aktivität wie Krafttraining und Yoga, dazu Entspannungsübungen wie Atemübungen
  • Aktiv sein mit Spielen, Sudoku, Kreuzworträtsel, Lesen von Büchern/Magazinen
  • Gesunde, achtsame Ernährung: regelmäßige Mahlzeiten, angereichert mit Salat und Früchten, ausreichend Proteinen, Begrenzung der Kohlenhydrate. Ausreichende Einnahme von Flüssigkeit (mindestens 2 Liter pro Tag): neben Wasser, z.B. ungesüßter Tee. Mäßiger Koffeinkonsum, empfehlenswert maximal drei Tassen Kaffee/Tag. Vermeidung von übermäßigem Alkoholkonsum.
  • Reduktion des Medienkonsums, v.a. bedrohliche Inhalte, nur noch zweimal täglich
  • Reduktion der Beschäftigung mit Gerüchten
  • Informationsbeschaffung nur aus zuverlässigen Quellen, 1 – 2 Mal täglich, nicht stündlich
  • Gefühl der Kontrolle herstellen durch das Setzen von Zielen (etwas Neues lernen, Tagebuch schreiben etc.)
  • Humor behalten, Lachen und Lächeln à hilft Stress zu reduzieren
  • Extreme Emotionen wie Ängste, Unsicherheit, Wut akzeptieren
  • Schlafhygiene: feste Zeiten, in welchen man zu Bett geht und aufsteht, kein Medienkonsum vor dem Einschlafen, wenn Mittagsschlaf, nur kurz (20 Minuten), Tag-Nacht-Umkehr verhindern

Die meisten Menschen werden nach Beendigung der Quarantäne-Maßnahmen wieder zurück in den Alltag finden, ein normales Leben führen können; dies unter dem Aspekt der Resilienz, der Widerstandsfähigkeit. Andere benötigen Unterstützung und professionelle Hilfe. Wie auch immer, die Corona-Krise führt dazu, dass wir im Umgang mit uns selbst und Mitmenschen achtsamer sein müssen, weil die Hygieneschutzmaßnahmen (Abstandsregeln, Mund-Nase-Schutz, Händewaschen, Hustenetikette) Krankheiten vermeiden helfen und Leben retten können.