In den 1970er Jahren waren die Zustände in vielen psychiatrischen Einrichtungen noch von Verwahrung geprägt. Menschen mit psychischen Erkrankungen lebten oft in großen, abgeschotteten Anstalten, ohne ausreichende therapeutische Angebote und ohne Perspektive auf gesellschaftliche Teilhabe. Die Enquête-Kommission, bestehend aus Fachleuten, Betroffenenvertreterinnen und -vertretern sowie Jurist*innen, machte diese Missstände öffentlich und formulierte umfassende Reformempfehlungen. Im Mittelpunkt stand eine gemeindenahe, patientenzentrierte und barrierefreie Versorgung, die psychisch erkrankte Menschen nicht länger als „Bürger zweiter Klasse“ behandelt.
Baden-Württemberg spielte bei der Umsetzung der Reformen eine wichtige Rolle. Aus den damaligen Psychiatrischen Landeskrankenhäusern entwickelten sich die heutigen Zentren für Psychiatrie (ZfP). Sie bieten heute moderne, wohnortnahe und sektorenübergreifende Behandlung an – von stationären Angeboten über Tageskliniken und Institutsambulanzen bis hin zu aufsuchenden Behandlungen wie der Stationsäquivalenten Behandlung (StäB). Diese Vielfalt ermöglicht es, Therapie in das gewohnte Lebensumfeld der Patient*innen zu bringen und Klinikaufenthalte zu verkürzen.
Trotz der erreichten Fortschritte bleiben große Aufgaben bestehen: Dazu zählen der Abbau von Stigmatisierung, der Schutz von Patientenrechten sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen. Die ZfP-Gruppe stellt sich diesen Herausforderungen mit dem Anspruch, eine humane Psychiatrie zu gestalten, die sich konsequent an den Bedürfnissen der Menschen orientiert – im Geist der Reformideen von 1975.
Wer mehr über die historischen Hintergründe und die Entwicklung der Psychiatrie in Baden-Württemberg erfahren möchte, findet den ausführlichen Hintergrundtext hier:
50 Jahre Psychiatrie-Enquête – Baden-Württembergs Weg zur personenzentrierten Behandlung (PDF)
Veranstaltungstipp:
Zum Jubiläum lädt das Klinikum am Weissenhof zu einer Tagung ein, die das Erreichte würdigt aber auch als selbstkritischer Impuls notwendige Weiterentwicklungen offen benennt und öffentlich diskutiert. Mit Beiträgen aus Klinik, Politik, Selbsthilfe und außerklinischen Strukturen versteht sich die Veranstaltung als kritischer Rückblick und konstruktiver Ausblick. Alle Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.